Redewendungen über Frankreich und die Franzosen
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Redewendungen über Frankreich und die Franzosen

Was Sprache über Klischees verrät

Sprache ist ein Fenster zur Kultur. Manchmal auch ein Spiegelbild in Schieflage. Denn Redewendungen offenbaren nicht nur Humor und Bilderreichtum, sondern auch kulturelle Stereotype. Ein Paradebeispiel: die Redewendungen rund um Frankreich und die Franzosen.

„Sich Französisch verabschieden“ … oder doch wie die Engländer?

Im Deutschen heißt es „sich Französisch / wie die Franzosen verabschieden“, wenn jemand wortlos, ohne sich zu verabschieden, aus einer Gesellschaft verschwindet. Die Franzosen selbst sehen das allerdings ganz anders: Dort sagt man „filer à l’anglaise“ – „sich wie die Engländer verabschieden“. Und die Engländer? Sie nennen es „to take French leave“. Ein ewiges Ping-Pong der Zuschreibungen!

„Leben wie Gott in Frankreich“

Noch bekannter ist wohl die Wendung „leben wie Gott in Frankreich“ – Ausdruck für ein Leben in Fülle, Genuss und Sorglosigkeit. Die Franzosen selbst sagen „vivre comme un coq en pâte“ – also „wie ein Hahn im Teig leben“: bestens versorgt, rundum umsorgt.

Was sagt das über uns Deutsche?

Interessanterweise tauchen die Franzosen in deutschen Redewendungen fast immer im Kontext von Genuss, Luxus und unbeschwertem Leben auf. Frankreich wird also sprachlich zum Sehnsuchtsort für das, was wir Deutschen uns vielleicht selbst nicht zugestehen: Laisser-faire, Genuss ohne schlechtes Gewissen, das berühmte „savoir-vivre“.

Umgekehrt ist das Bild weniger süßlich: In Frankreich gelten die Deutschen (sprachlich und kulturell) als fleißig, streng und diszipliniert – „toujours à l’heure“ (immer pünktlich), „très sérieux“ (sehr ernst). Kurz: die Deutschen verkörpern dort das Arbeitsethos, das Pflichtbewusstsein, die Gründlichkeit.

Sprachliche Spiegel

Man könnte also sagen: In den Redewendungen der Deutschen über die Franzosen lebt der Wunsch nach Genuss und Lebensfreude – ein kulturelles Idealbild. In den französischen Redewendungen über die Deutschen dagegen spiegelt sich der Respekt (und manchmal auch die Skepsis) gegenüber Fleiß und Strenge. Sprache zeigt uns also nicht nur, wie wir andere sehen, sondern auch, was wir uns selbst heimlich wünschen – oder was wir bei uns selbst kritisch betrachten.

Fazit
Sprachliche Redewendungen sind kleine Fenster in die Denk- und Gefühlswelt eines Volkes – und manchmal auch ein schmunzelnder Spiegel der gegenseitigen Klischees. Ob wir „wie Gott in Frankreich“ leben, uns „auf Französisch verabschieden“ oder die Franzosen wiederum „à l’anglaise“ verschwinden lassen: Solche Ausdrücke erzählen weniger von den tatsächlichen Nachbarn als vielmehr von unseren eigenen Vorstellungen über sie. Während Franzosen für Genuss, Lebensfreude und Nonchalance stehen, spiegeln die Redewendungen über Deutsche oft Fleiß, Strenge und Disziplin wider. Sprache macht diese kulturellen Bilder lebendig – und lädt uns ein, die Unterschiede mit einem Augenzwinkern zu betrachten.

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